Veröffentlicht am Fr, 10.02.2023
von Bettina Zehner
Diakonin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Diakonat
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Viele der 1500 Menschen, denen sie in die Augen schaute, reagierten emotional auf die Begegnung und begannen zu weinen.
Der Entwicklungspsychologe Edward Tronick wurde in den 70er Jahren bekannt für seine Untersuchungen der Mutter-Kind-Bindung und entwickelte das still-face Experiment. Zuerst scherzt und lacht eine Mutter mit ihrem Baby. Das Kind lacht und jauchzt zurück. Nach einer Weile schaut sie das Kind völlig ungerührt an, kalt und starr. Auch spricht sie nicht mehr mit ihm. Das Kind reagiert schockiert. Dann versucht es, mit Lächeln die Mutter wieder zu einer Reaktion zu bewegen. Aber das Gesicht der Mutter bleibt unbewegt. Dann beginnt das Kind sich zu winden und zu weinen. Die Verzweiflung ist groß. Wenn die Mutter wieder Kontakt aufnimmt und das Kind anlächelt und herzt, beruhigt es sich und lacht und jauchzt. Die Welt ist wieder in Ordnung.
Beide Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, liebevoll angesehen zu werden.
Hagar, die Fremde, ist vor Sarah ihrer Herrin davon gelaufen. Sie kann es einfach nicht mehr aushalten. Sarah und ihrem Mann Abraham waren von Gott viele Nachkommen verheißen worden. Aber die Zeit verging und Sarah wurde immer älter aber nicht schwanger. Da wollte Sarah nachhelfen und schickte ihren Mann zu ihrer Magd. Die sollte an ihrer Stelle das Kind bekommen. Bald wurde Hagar schwanger und zwischen den beiden Frauen kommt es zum Konflikt. Abraham hält sich da raus. Mach mit ihr, was du willst, sagt er zu Sarah. Und das tut Sarah. Sie demütigt Hagar und die läuft in ihrer Verzweiflung davon. In die Wüste, in den sicheren Tod.
Dort begegnet ihr ein Engel. Er spricht sie mit Namen an und fragt sie, wo sie herkommt und wo sie hinwill. Hagar erzählt ihm, was passiert ist.
Und der Engel schickt Hagar wieder zurück zu Sarah. Die Situation, in die der Engel Hagar zurückschickt, hat sich nicht geändert. Aber Hagar. Mit Hagar ist etwas Erstaunliches geschehen. Ihr ist bewusst geworden, dass sie ein angesehener Mensch ist. Gott hat mich angesehen, sagt sie. Und sie, die Fremde, die Sklavin, gibt Gott einen Namen: Gott, der mich sieht.
Hagar, die Fremde, die Sklavin ist der einzige Mensch in der Bibel, der Gott einen Namen gibt: Gott, der mich sieht.
Was für eine Verwandlung: durch Gottes Ansehen wird aus der rechtlosen, übersehenen Sklavin eine Frau mit Würde und Ansehen, die Gott einen Namen gibt.
„Du bist ein Gott, der mich sieht“, das ist die diesjährige Jahreslosung. Eine persönliche Aufmunterung und eine Ermutigung, selbst die Augen für andere offen zu halten.
Diakonin Bettina Zehner
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